in aller Regel ist es ja so: Wenn man hip sein will, ist das echt viel Arbeit. Gelassenheit, Nachhaltigkeit, Sexyness – das kommt fast nie von ganz allein, und cool und lässig wirken meist die, die es am wenigsten sind. In ganz seltenen Fällen ist es aber so, dass man sich überhaupt nicht anstrengen muss, um mega hipp zu sein. Sondern dass etwas, das man schon immer so macht, auf einmal total angesagt ist. So geschieht das gerade mit dem Menstruieren. Und bevor jemand diesen Trend verpasst, bevor er wieder vorbei ist, hier noch einmal in fett und in groß: ES IST DERZEIT IRRE HIPP ZU MENSTRUIEREN! Klasse oder?
Menstruationstassen – in den 1930er Jahren erfunden – feiern heute ihr Comeback. Es gibt sogar einen Blog, der sich nur damit beschäftigt und bei manchen Anbietern wie OrganiCup oder RubyCup hat man das Gefühl, man könne damit die Welt retten oder wenigstens ein bisschen besser machen.
Freebleeding ist ein Trend, der gerade aus USA rüber schwappt. Die Verfechterinnen (hier z.B. auf Facebook) verzichten auf alle sogenannten Mestruations-Hygieneartikel, um frei zu bluten und zu demonstrieren, dass das Thema nichts ist, wofür man sich schämen sollte. Nebenbei streifen sie auch noch die Themen Umweltschutz (der ganze Bindenmüll), Geld (die Produkte sind zu teuer) und Hygiene (mit Tampons können auch leicht Bakterien in die Scheide gelangen). Ihre Heldinnen sind zurzeit Kiran Gandhi, die den London Marathon während ihrer Periode lief, ohne das Blut mit Becher, Binde oder Tampon aufzufangen und Steph Gongora, die Freebleeding beim Yoga praktiziert (selbstverständlich in weißer Kleidung und auf Instagram). Die Grundidee hinter der Bewegung ist allerdings nicht, dass man fremdes Eigentum (Barhocker, U-Bahn-Sitze…) oder die eigenen Klamotten verfärbt, sondern, dass man seinen Körper so gut kennt, dass man rechtzeitig zur Toilette kann, wenn man merkt, das der nächste Blutschwall kommt.
In Italien diskutiert man gerade über Menstruations-Urlaub: Ein Gesetzentwurf will Frauen, die unter starken Regelschmerzen leiden, drei Urlaubstage pro Monat gewähren. Klingt erstmal verrückt, ist in Japan, Taiwan und Südkorea aber Usus.
Dann ist da auch noch dieses Buch, das gerade Schlagzeilen macht und den Darm als Prinz Charming vom Thron zu stoßen droht: „Ebbe und Blut“ (GU-Verlag). Zwei Grafikerinnen, Luisa Stömer und Eva Wünsch, haben ihre Bachelor-Arbeit den Gezeiten des weiblichen Zyklus gewidmet. Auf 240 Seiten erklären sie, was im weiblichen Körper eigentlich abgeht: Warum sich in der Gebärmutter eine Schleimhaut bildet, sich der Serotoningehalt im Körper verändert und für schlechte Laune sorgt, der Bauch schmerzt und Himbeeren dagegen helfen. Im Interview auf Stern.de sagen die beiden über die Periode Sachen wie:
„Unsere Menstruation ist ein Zeichen dafür, dass wir gesund sind. Dass unser Körper und das Zusammenspiel der Hormone optimal funktionieren. Wir sind fähig, neues Leben in die Welt zu setzen. Und das ist etwas sehr Wertvolles, was es sich lohnt, zu schätzen.“
oder:
„Natürlich ist klar, dass die Periode und alles, was der Zyklus so mit sich bringt, nervig und schmerzhaft und scheiße sein kann. Aber das steht in nichts dem gegenüber, wie geistreich unser Unterbauch gestaltet ist. Vieles, was da passiert, ist einfach großartig.“
Und hier setzen meine me-minutes an: Wir bluten sowieso, aber anstatt uns ausnahmslos darüber zu ärgern, darunter zu leiden oder (was am schlimmsten ist) dafür zu schämen, sollten wir uns regelmäßig fünf Minuten Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was da eigentlich los ist: Es ist doch wirklich beeindruckend, was unser Körper so alles kann und leistet, welche ausgetüftelten Mechanismen da im Hintergrund ablaufen – einfach so und ohne dass wir etwas dazu tun müssen. Sonst passiert am Ende das, was mit so vielen Dingen im Leben geschieht: Man lernt sie erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat.
Und wer jetzt noch mehr über ES IST DERZEIT IRRE HIPP ZU MENSTRUIEREN! lesen will, dem sei der Artikel „Blutsschwestern“ von Ina Küper-Reinermann in der Myself ans Herz gelegt.